Ansprachen

      

39. Vortrag im Noviziat vom 15.12.1894.

Der hl. Franz v. Sales sagte oft das Wort: „Man muss guten Mut haben!“ Oft forderte er zu Mut, Tatkraft und Energie auf. Für unseren Willen verlangt er also Kraft und Stärke und gab auch die Mittel an, dahin zu gelangen, wenn er sagt: „Wenn ihr Schwierigkeiten und Versuchungen zu bestehen habt, so stellt euch unseren Herrn vor: betrachtet, was er in solcher Lage getan hat. Das wird euch helfen und trösten.“

Da findet eine eminent wichtige theologische Überlegung ihre Anwendung: Überlegt nur, wie notwendig uns Mut und Stärke über sich selbst und Hochherzigkeit im Opferbringen sind! Denn nur kraft des Opfers wirken wir das Gute. Dafür hat unser Herr als erster das Beispiel gegeben: er hat sich doch bis zum Tod am Kreuz geopfert und hat zwölf Apostel um sich geschart, die alle als Martyrer gestorben sind. Nur einer starb nicht als Blutzeuge. Jesus hatte auch das vorhergesagt, nachdem er das Martyrium der anderen vorausverkündet hatte und Petrus ihn nach dem Schicksal des Johannes gefragt hatte: „Wenn ich will, dass er so bleibe, bis ich ihn hole, was kümmert das dich?“ Doch haben auch dem Lieblingsjünger die Martern nicht gefehlt, das sind also die Jünger, die unsere hl. Kirche durch ihre Lebensopfer und durch ihr Sich-Abmühen gegründet haben. Wir aber sind ihre Nachfolger, und auch wir erreichen nichts, wenn nicht durch die Mittel, die sie angewandt haben. Nur durch das Opfer und die Kraft unseres Wollens finden wir die nötige Stärke, auf andere Seelen einzuwirken, um sie zu bekehren und das Reich Gottes herbeizuführen. Aus diesem Grund wollte der hl. Franz v. Sales, dass seine Kinder ein Bußleben führen. Achtet sehr auf diese Wahrheit. Im Artikel des Direktoriums lesen wir, dass wir bei all unseren Handlungen die dazugehörige Abtötung mit Frieden und Sanftmut als aus der väterlichen Hand Gottes hervorgehend ertragen sollen.

Franz v. Sales setzt also voraus, dass wir in unserem Leben nichts schaffen, was uns nicht Mühe und Opfer kostet. Buße ist also für das Heil der Welt, besonders in der gegenwärtigen Stunde, wo der Einfluss des Teufels so stark geworden ist, unerlässlich. Wir lesen in der Frohbotschaft, dass ein Kind vom Teufel besessen war. Da kamen die Apostel zum Herrn und fragten ihn: „Warum konnten wir den Dämon nicht austreiben?“ Und der Herr antwortete ihnen: „Diese Art von Teufel wird nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben.“ In der augenblicklichen Stunde können wir den Teufel also nur mit Hilfe der Buße bekämpfen, da die Seelen unter seiner Macht stehen.

In der Ordnung der Vorsehung schulden wir der Gerechtigkeit Gottes alles. Solcherlei Dinge messen sich nach ihrem Gewicht. Um andere zu retten, müssen wir noch eine große Quantität anderer Gewichte dazulegen. Eine enorme Summe von Opfern heißt es da Gott zu übergeben. Wie sollen wir das abzahlen? Die Blutzeugen haben es auf einmal mit ihrem Blut getan, die Apostel mit ihrem Apostolat. Wir aber bezahlen es durch eine beständige Übung unserer hl. Regel und den Verzicht auf uns selbst mit Hilfe des Direktoriums. Das fällt uns nicht leicht. Pater Poupard kam in seiner Jugend einmal zu mir und sagte: „Herr Pater, was muss ich tun, um eine wichtige Gnade zu erlangen?“ – „Verbringen Sie drei Tage der Treue.“ Am zweiten Abend kam er zu mir und sagte: „Herr Pater, ich halte es nicht mehr aus.“ – „Fahren Sie mutig fort bis zum guten Ende“, gab ich ihm zur Antwort. Er hielt durch und erhielt so die hocherwünschte Gnade. Das kostet also, und zwar sehr viel. Auf diese Weise erringt man aber, wie Papst Pius IX. zu mir sagte: „Fili, habebis benedictiones primitivorum Ecclesiae.“ (Anm.: „Mein Sohn, Du wirst die Segnungen der Erstlingsfrüchte der Kirche erhalten.“). Welch schönes Wort! Und das sagte er mir mit der Hand auf dem kleinen Band der Auszüge aus den Schriften des hl. Franz v. Sales: „Ich lese jeden Tag den hl. Franz v. Sales  in französischer Sprache. O welche Macht besaß er doch, um die Seelen zu verbinden und die Herzen zu vereinigen!“ Die ganze Summe der Opfer, die Gott von uns verlangt, können wir demnach nicht auf einmal bezahlen, wir müssen sie in hundert, ja tausend und nochmal tausend Anstrengungen aufteilen. Damit wird das Gewicht und die Last, die wir zu tragen haben, aufgeteilt, und durch das Direktorium zerkrümelt. Jeden Tag unterwerfen wir uns ihm, indem wir seine Gedanken und Übungen übernehmen. Ihr werdet mir sagen: „Herr Pater, das ist aber eintönig, diese Arbeit.“ Doch nicht, wenn man verpflichtet ist, immer daran zu denken, hält das unseren Willen, Herz, Verstand und unser ganzes Wesen reichlich beschäftigt. Da wir also nicht annehmen können, wir müssten im Plan Gottes als Martyrer sterben, bringen wir der Kirche dennoch dasselbe dar, was die Blutzeugen ihr geschenkt haben: unser Ganzopfer, unser „Holokaustum“ (Anm.: „Damit ist nicht der Holocaust der Nationalsozialisten gemeint!“). Wir teilen es nur auf und zerkleinern es mit Hilfe des Direktoriums. Das erfordert freilich hohen Mut, einen gestählten und mutigen Willen, der sich nicht durch Trägheit erschlaffen, von Nichtigkeiten ablenken, von Schwierigkeiten niederdrücken lässt. Die Energie muss in uns ohne Wanken und Schwanken erhalten bleiben.

Solch ein Leben ist schön, und das soll unser Leben werden! Und das ist uns bestimmt, ein ewiges Leben zu werden, ewig auch für die Seelen, mit denen wir uns beschäftigen.

Im letzten Brief des hl. Paulus las ich in diesen Tage, der hl. Paulus, so schreibt er dem Timotheus, sei durch einen gewissen Statuenfabrikanten von Korinth betrogen worden. „Gott, so fügt er hinzu, wird ihm zurückzahlen, was er mir angetan hat.“ Er sagt weiter, jene, die ihm eine Zeitlang nachgefolgt seien, hätten ihn jetzt schnöde verlassen und viele hätten sich seiner Ketten geschämt. Als er das schrieb, war er bereits vier Jahre Gefangener, zwei Jahre in Caeserea und zwei in Rom, und er beendete sein Leben als Martyrer. Das war sein Anteil, den Gott ihm reserviert hatte als notwendige Folge seines Apostolates.

Wir werden unsererseits nur im Maße unserer Opfers Gutes wirken. Gott verlangt nichts Unmögliches. Euer Opfer wird in eurer Treue zu euren Noviziatsübungen bestehen, darin, dass ihr das Stillschweigen beobachtet und euch in allen klösterlichen Übungen treu erweist. Damit werden wir die Summe von Abtötungen schaffen, die für unser Apostolat notwendig ist. Wir müssen darum guten Mut bewahren und die Dinge im rechten Blickwinkel sehen. Ich bin alt und habe vieles erlebt. Wäre ich Weltpriester geblieben, dann wäre ich für mein Leben gern Oberer eines kleinen Seminars geworden, um junge Seelen zu leiten, die sich auf das Priestertum vorbereiten. Dann hätte ich den Samen des apostolischen Eifers in ihre jungen Herzen gesät und hätte ihnen das Priestertum in seinem wahren Licht aufgezeigt, das im Opfer für die Seelen besteht. Wir arbeiten ja auf demselben Acker wie die Apostel. Ihr großes Arbeitsmodell war das Opfer, das Opfer „usque ad vincula“ (Anm. „bis zu den Ketten.“).

Wir sollten uns an den Gedanken gewöhnen, dass die Heiligen nicht anders waren als wir. Der hl. Paulus hatte heftige Versuchungen und beständige Kämpfe selbst zu bestehen. Auf Petrus lastete die Sorge um alle Gemeinden. Das sind unsere Vorbilder und Beispiele. Was taten sie? Sie hatten einen starken Mut. Denken wir daran: die kleinsten Dinge, die geringste Übung unserer hl. Ordensdisziplin, die uns ein Opfer abverlangt, ist gut. Immer, wenn wir schaffen, ohne dass es ein Opfer kostet, ist es nicht mehr wert als das dabei gebrachte Opfer. Je energischer wir sind, je stärker unser Mut ist, umso größer auch das Verdienst, weil wir aus frohem Herzen getan haben, was wir an sich nicht mit frohem Herzen tun wollten.

Tut das und glaubt mit, es ist das Glück unseres Lebens, das Mittel, Macht über die Seelen zu gewinnen. So ist man wahrhaft Mensch, man stellt etwas dar, während man doch sonst Zeit und Mühe verliert, indem man immer von Schlaffheit erfasst wird und auf ein anderes Ziel hinarbeitet als es die Liebe Gottes ist. Sammeln wir darum mit großer Dankbarkeit alles, was Gott uns schickt. Tun wir in dieser Woche, dass wir uns auf diese Weise gut auf Weihnachten vorbereiten.

Es ist doch interessant, wenn wir sehen, wie die Heiligen Menschen waren wie wir. Sie hatten die gleichen Leidenschaften und Schwächen. Was hat sie also zu Heiligen gemacht? Ihr hoher Mut.