Ansprachen

      

18. Ansprache zur Einkleidung des P. Ludwig von Vauberecy
- gehalten im Jugendwerk St. Jean am 29.09.1889 –

Wir nehmen die Einkleidung mit dem kirchlichen Gewand mit einer gewissen Feierlichkeit vor, meine lieben Kinder, und damit folgen wir dem Gedanken der hl. Kirche, die besondere Gebete zu diesem Zweck aufgestellt hat. Und Sie, mein lieber Freund, preisen Sie den guten Gott, dass Sie heute, am Fest des Fürsten der himmlischen Heerscharen, des Erzengels Michael, sich in die Ränge dieser himmlischen Miliz einreihen dürfen. Denn der Priester, der Ordensmann, ist Soldat Gottes. Er ist Soldat in einem Maß, dass er sein ganzes Leben kämpfen muss für ihn, kämpfen gegen die bösen Neigungen, gegen den Hang, der uns alle zu weltlichen Vergnügungen zieht, schlagen aber auch die Schlachten des Apostolates gegen den Feind der Seelen in Wort und Tat und Opfer.

Das Kleid, das Sie gleich anziehen werden, ist nicht nur das des Soldaten, sondern auch das des Armen, das des Gelehrten, und schließlich auch das Gewand jenes heiligen und göttlichen Richteramtes, das die Seelen richten und leiten soll. In diesem Gewand, das Sie gleich anlegen werden, liegt also etwas, womit man die Geschichte sämtlicher Bedingungen der menschlichen Existenz erleben kann.

Sie übernehmen mit dieser Einkleidung alles, bis hin zum Amt des Vaters der Familie. Der Priester wendet den Seelen all seine Sorgen und sein Herz zu, besonders durch die wachsame und liebevolle Sorge für die Kinder und die jungen Leute. Zu gleicher Zeit Priester, Soldat, Richter, Familienvater: All diese Titel stehen ihm zu, alle sind ihm geschuldet. Er übt deren Pflichten aus, erträgt ihre Mühen und vollbringt ihre Leistungen.

Seien Sie also voller Glück, mein teures Kind. Die Hand Gottes hat in Ihrer Seele wundersame Dinge vollbracht. Nicht alle können diesen Weg gehen. Jesus begegnete auf seinem Gang durch die Straßen Jerusalems bestimmt vielen jungen Menschen, zu denen er nicht sagte: Kommt und folget mir. Auch während seiner Predigtreisen trat er mit einer großen Zahl von Menschen in Verbindung. Nur einige wenige wählte er aus und sagte zu ihnen: Folgt mir, und nur diese gesellten sich der Zahl der Privilegierten und Auserwählten des Erlösers bei.

Diese Zeremonie, mein Freund, ist ein Zeichen der Liebe Jesu. Wenn er zu Ihnen sagt: Kommen Sie, dann antworten Sie: Hier bin ich, Herr. Was willst Du, dass ich tun soll? Werden Sie sein aus ganzem Herzen und aus ganzer Seele und aus allen Kräften. Seien Sie des Nächsten ohne Vorbehalt, im Maße Ihrer Fähigkeiten, Ihrer Intelligenz, Ihrer körperlichen und seelischen Kräfte. Die Laufbahn, auf die Sie sich jetzt einlassen, findet heutzutage kaum noch Verständnis. In Ihrer Umgebung wird man den Kopf schütteln, wie schon der Heiland feststellte. Die Geister werden überrascht sein, manche Ärgernis nehmen. Die Wahrheit wohnt nicht mehr unter den Menschen, es fehlt ihnen das Verständnis dafür. Das Licht ist ihnen fast unbekannt, sie tragen eine Binde um die Augen, ihre Augen sind verschlossen. Glücklicher als diese, wandern Sie durch sie hindurch. Sie werden stark sein, werden den Glauben besitzen, den Mut dazu haben. Sie kennen keine Furcht, weil Gott Sie führt. Sie folgen Jesus nach der Spur seiner Schritte, folgen ihm in seinen Maßnahmen und seinen Werken, folgen ihm nach bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Sie werden ihm Treue wahren bis zu jenem letzten Ziel, an dem jeder von uns ankommen soll, bis zum Grab und zum Himmel.

Seien Sie großmütig! Geben Sie Gott alles, was er von Ihnen verlangt. Sagen Sie ihm in jedem Augenblick: Ich bin dein, Herr. Ich bin da, um zu gehorchen, um mich aufzuopfern, um zu leiden, um auszuführen, was immer du willst, um deinen Willen zu erfüllen und nicht den meinen. Du bist mein Anführer, ich folge dir. All das sagt Ihnen Ihr Talar, mein Freund. Ich las im Leben des hl. Aloysius, er habe seinen Talar mit Liebe geküsst und habe Gott gedankt, dass er ihm dieses Kleid der Demut an Stelle des Kleides, das ihm die Welt angeboten hatte, gereicht hat. Herr, so wiederholte er, der Anteil, den du mir zukommen lässt, ist sehr schön, weil du dich selber dem zum Anteil gibst, den du liebst.

Auch Sie werden ihn lieben, Ihren Talar, Sie werden ihm Ehrfurcht erweisen. Und Sie werden bald merken, wenn Gott Sie so vom Kopf bis zu den Füßen einkleidet, ist auch unser Herz ihm näher. Wir haben sein Gewand angezogen, so fühlen wir uns ihm mehr zugehörig und können mehr für ihn tun. Ich beglückwünsche Sie mein lieber Freund, und beglückwünsche Ihre Familie. Es entspricht dem Wunsche dieser teuren Familie, dass einer ihrer Mitglieder sich dem Dienste Gottes weiht. Sie wollte nicht bloß im Beamten- und Richterstand, in der Armee und in der Welt würdige Vertreter haben, sondern wünschte auch zu Füßen des Heiligtums ein Herz, das über sie zu Gott spricht, das für sie betet, das ihre Anliegen dem Herrn vorträgt und jenes Kreuz auf sich nimmt, das Gott seinen Freunden vorbehält.

Ihre Familie hat begriffen, dass dies die Krone der Gnaden und Segnungen bedeutet, dass Ihre Trennung von ihr keine vollständige ist, da sie sich auf den Glauben und die Hoffnung stützt. Das ist keine Trennung, sondern nur eine zeitweilige Entfernung, deren Distanzen klein sind und aufgefüllt werden durch das Gebet und die Erinnerung bei Gott.

Sie verstehen diese Zusammenhäng jetzt bereits und werden sie später noch besser verstehen. Diese Gnaden erweist Gott nur denen, die ihm gehören. Je mehr sie hier unten Gott gehören, umso glücklicher werden Sie jeden Tag und umso mehr Licht wird Ihnen zuteil. Sie schreiten von Tugend zu Tugend, von Klarheit zu Klarheit bis zur schlussendlichen Anschauung Gottes selbst. Das wird Ihr ganzes Leben hindurch währen.

Und wir beten für Sie und Ihre Familie. Wir beten, dass alle Ihre Wünsche heute in Erfüllung gehen, dass der Wunsch der hl. Kirche über Sie Wirklichkeit werde, desgleichen die Wünsche, die Ihre Mitbrüder im Franz v. Sales und all Ihre Freunde für Sie hegen. Die Familie, in die Sie heute eintreten, trennt Sie ja nicht von Ihrer eigenen Familie, sondern vervollständigt sie, vermehrt sie, dehnt sie aus. Sie bietet Ihnen nicht weniger wohlwollende Zuneigung und jene wahre Liebe, die aus dem Herzen steigt, weil sie sich auf Gott stützt und Gott Liebe ist. Wir bekennen ja, dass wir diesem Weg der Liebe folgen wollen. In dieser selben Liebe und Herzenseinheit werden Sie spüren, wie Gott das Gute in Ihnen wirkt. Das sind unsere guten Wünsche für Sie, mein lieber Freund. Und Sie werden dieselben Bitten für uns Gott vortragen. Eines Tages werden Sie sich im Himmel dieses ersten Schrittes erinnern und werden wie der königliche Prophet ausrufen: Welche Wonne, Dich zu schauen und in Deinen Gezelten zu wohnen: Wie herrlich sind Deine Wohnungen, Herr der Heerscharen!