Exerzitienvorträge 1888

      

10. Vortrag: Ausklang der Exerzitien.

Ziel und Zweck all unserer Übungen, Ziel aller Sakramente ist unser Herr im heiligsten Sakrament des Altares. Der hl. Franz v. Sales sagt es positiv: Sinn aller Frömmigkeitsübungen, Mittelpunkt und Sonne des geistlichen Lebens ist die hl. Kommunion, insofern sämtliche Übungen entweder zur Vorbereitung auf sie oder zur Danksagung für sie geschehen: Abtötungen, Betrachtungen, Selbstkontrollen, all diese Dinge haben einzig zum Zweck, die hl. Kommunion besser zu empfangen. Sie ist somit Ziel all unserer Bemühungen und Arbeiten auf dieser Erde. Sie ist der Himmel auf Erden, da alles, was wir tun, im Hinblick auf die hl. Eucharistie geschieht und sie selbst der höchste Lohn unserer Mühen und Tugenden ist, so wie der Himmel höchste und unendliche Belohnung unseres christlichen und klösterlichen Lebens ist. Wenn ich also noch ein letztes Wort heute sagen soll, soll es der hl. Kommunion gewidmet sein, und ich bitte unseren Herrn herzlich, euch das Verständnis dafür zu erschließen.

Ich bitte euch nicht um Verzeihung für die Exerzitien, wie ich sie euch gehalten habe. Etwas Sonderbares und Mühseliges kam über mich. Denn wenn ich euch etwas sagen will, ist es mir unmöglich, es voraus zu überlegen. Die Exerzitienvorträge, die ich euch halte, fallen mir sehr schwer, weil es mir einfach unmöglich ist, irgendetwas vorzubereiten. Spreche ich etwa nicht gern zu euch? Doch, ganz bestimmt. Ich bin nirgendwo mehr zufrieden, was mir in den Sinn und ins Herz kommt. Habe ich vielleicht Hemmungen vor euch? Nein, ich glaube hinreichend euer Vater zu sein, der es nicht nötig hat, sich zu überwachen oder misstrauisch zu sein, wie man sich an Fremde wendet oder an solche, die gern urteilen und verurteilen. Aus ganzem Herzen bitte ich Gott, dass diese Exerzitien glückliche Erfolge zeitigen. Wenn ich so häufig auf diesem Gebiet bestehe, dann deshalb, dass ihr überzeugt seid, die Exerzitien müssen selber die Früchte der Exerzitien hervorbringen. Unsere innere Disposition, die einzelnen Übungen der Exerzitien gut zu verrichten, die Treue zur klösterlichen Observanz, die sind es, die euch die Gabe der Exerzitien erwirken, die euch das erwerben, was ihr den anderen geben sollt und was Gott für euch zurückgelegt hat. Und das ist ungewöhnlich viel, das weiß ich. Heute Abend lade ich euch ein zum Tabernakel, zum hl. Altar, zum hl. Tisch, um euch mit der Hand den Ort zu zeigen, wo die Schätze der Erbarmungen und Erleuchtungen Gottes aufbewahrt sind, die für uns aufgrund unserer Treue in den Exerzitien bereitet sind. Versteht wohl das Leben des Oblaten: Ihr werdet einsehen, dass es ein ganz eucharistisches Leben ist. Was bleibt denn in der hl. Eucharistie? Die Gestalten von Brot und Wein. Diese aber, lehrt der Katechismus, werden umgewandelt in die Substanzen von Leib und Blut Jesu Christi. Was ist demnach ein Oblate, was ist sein Leben? Ist sein Leben denn keine Oblation, keine Hinopferung? Er nennt sich Oblate: Die Verwandlung, die Weihe an Gott, ist seine Tat, wie jene unseres Herrn eine war. Ist es nicht Wesensverwandlung, die sich jeden Augenblick durch das Direktorium vollzieht? Eine Wesensverwandlung zum übernatürlichen Leben? Kommt also zu dieser Wesensverwandlung, die eine Ähnlichkeit mit jener der hl. Eucharistie aufweist! Kommt zu ihr durch die hl. Kommunion! Die Kommunionen, die ihr empfangt, bringen eine viel größere Wirkung hervor als wenn ihr in der Welt draußen wärt. Bei den Arbeiten, die nach der Kommunion an die Reihe kommen, arbeite die Hände des Heilands vermittels eurer Hände. Eure Augen wurden verwandelt in die Augen des Herrn, der seine Geschäfte besorgt im Gehorsam. Euer ganzes Wesen ist der Erlöser, der in Nazareth schafft und leidet. Das sind keine bildhaften Worte, die ich da vortrage, Bilder der Redekunst. Nein, es ist Wahrheit, es ist Lehre. Gewiss gilt diese Lehre für alle Christen, doch ereignet sich dies bei den einfachen Gläubigen nur hin und wieder und wie zufällig. Bei euch hingegen muss das ein Dauerzustand sein. Bittet ihn darum, er möge euer Schaffen in sein Tun wandeln und verwandeln, eure Person in seine Person. Mögen die Schläge eures Herzens auch die Schläge des göttlichen Herzens sein!

Liebe Patres, die wir das Glück haben, zum Altar Gottes emporzusteigen, erinnern wir uns, dass unser Opfer nicht einfacher Natur ist, sondern zwiefacher: Ihr opfert Leib und Blut unseres Herrn auf, ihr opfert aber gleichzeitig euch geistig mit ihm und wie er auf. Das Opfer ist gewiss nicht materiell, ihr opfert euch vielmehr geistigerweise als Hostie mit ihm. Lernt, all eure Geschäfte während der hl. Messe vorzunehmen. Da werden euch, besonders während der hl. Exerzitien, die nötigen Gnaden und Erleuchtungen zuteil. Und nach diesen Einkehrtagen kommen euch dann die Erinnerungen, die Folgen dieser Tage, die Bewegung, die sich während derselben eurer Seele eingeprägt hat, zu Hilfe. Die hl. Messe ist der Ort, wo die Distanzen schwinden: Gott wird Mensch, am Altar verwandelt er sich in uns und uns in sich, es gibt keinen Unterschied mehr. Eure Hände sind seine Hände, euer Wort das Seine. Die Konsekration erfolgt durch die Worte, die ihr aussprecht, und er spricht sie aus durch euren Mund. Es gibt nicht mehr zwei Worte, seins und unseres, sondern nur noch eins. So wie es auch nicht zwei Opfer gibt, sondern eins. Sagt selbst, welche Verschmelzung ist dieser gleich, jener, die zwischen euch und Gott? Keiner. Darum geben wir uns am letzten Tag der Exerzitien ein Stelldichein am Altar. Da finden wir uns immer in der innigsten Vereinigung mit unserem Herrn. Und wenn Gott zugelassen hat, dass infolge eines providentiellen Geheimnisses ich nicht reden und euch unterhalten konnte, wie ich es gern hätte, so kommt alle im Augenblick der hl. Wandlung. Wenn ihr den Herrn in Händen haltet, wenn er auf den Altar herabgestiegen ist, so sagt ihm: Sag Du mir, was ich nicht gehört habe. Wiederhole, was ich nicht verstanden habe, vervollständige du die Exerzitien. In deiner Gesellschaft will ich die Unterweisungen, Segnungen und Hoffnungen dieser Tage wiederfinden.

So setzen sich die hl. Tage das ganze Jahr hindurch fort mit nie endenden Früchten. Schließlich treffen wir uns alle am Abend beim inneren Gebet zu Füßen unseres Herrn. Als Jesus mit seinen Jüngern Judäa durchwanderte und diese müde waren, versammelten sich die Jünger um ihn und erzählten ihm, was sie getan, welche Teufel sie ausgetrieben, welche Kranken sie geheilt, welchen Armen sie das Wort Gottes verkündet hatten. Der gute Meister unterhielt sich mit ihnen, und sie vergaßen ihre Müdigkeit. So sollte auch die Besuchung des Allerheiligsten und die Abendbetrachtung die Erholung vom Tagewerk sein, die Ruhe von unseren Unruhen, Ängsten und Leiden. Gehen wir also zu Füßen unseres Meisters seine Tröstungen und Ermunterungen anhören. Das soll das letzte Echo der Exerzitien sein: Herr, was sollen wir tun?

Ein großer Heiliger, der hl. Alfons, hat uns auf seinen bewundernswerten Seiten verraten,  worin das Zwiegespräch eines Heiligen mit dem heiligsten Sakrament des Altares besteht.  Wer soll dieses intime Zwiegespräch besser verstehen und praktizieren als wir, die wir zur Familie unseres Herrn, zu seinem Haus, zu seinem Freundeskreis gehören? Welches Leben führen wir? Ist es dem seinen gleichförmig? Gleicht unser Arbeiten dem Seinen? Gleichen unsere Ansichten den Seinen? Leben seine Verherrlichung, sein Name, die Liebe zu seiner Kirche in unserem Herzen? Herrscht die vollständigste und zarteste Vertrautheit zwischen ihm und uns? So ersetzt alle Tage dieses Jahres, während dieser kurzen Viertelstunde, was ihr in diesen Exerzitien nicht bekommen habt. Fällt euch nichts ein, was ihr ihm zu sagen habt, dann verweilt einfach und sagt: „Herr, ich bin da. Herr, mach Du es! Meine mutlose Seele ist da. Lass leuchten Dein Angesicht über Deinem Knecht. Dein Diener tappt in der Finsternis, möge Dein Antlitz ihm erscheinen in der Süßigkeit und dem Glanz Deiner Liebe!“ Und euer Herz wird sich freuen. Wir werden verstehen, was wir nicht verstanden haben. Dann werden sich unsere Exerzitien fortsetzen und vollenden.

„Erlöser Herr vereinige unsere Herzen in der absolutesten Liebe. Gib, dass wir alle nur ein Herz bilden mit dem Deinen, dass wir nur anderen Wünsche als jene Deiner Verherrlichung und der Ausbreitung Deiner Liebe, dass wir in Händen keine anderen Mittel zur Verfügung haben als jene des hl. Gehorsams. So wie Du, Herr Jesus, Gefangener der Liebe bist im hl. Tabernakel. so lass uns Gefangene des göttlichen Willens werden. ‚Wie glücklich‘, sagte Paulus, ‚sind die Ketten, die man für Jesus trägt und mit denen ich euch beladen und gebunden wünsche.‘ Möchten wir an Dich so fest geheftet sein, göttlicher Meister, dass wir uns nie von Dir trennen möchten, nicht im Leben und nicht im Tode. Dass wir doch immer eins mit dir seien währen der ganzen Ewigkeit. Alleluja! Alleluja!“