Exerzitienvorträge 1887

      

11. Vortrag: Die Missionen: Am Kap und in Brasilien.

Heute Morgen will ich euch keinen Vortrag halten, sondern eine Konferenz über mehrere Punkte, die wir sicher schon besprochen haben im Lauf des Jahres und während dieser Einkehrtage. Dennoch möchte ich darauf zurückkommen, weil ich sie für wesentlich halte.

Das erste ist: Es ist außerordentlich notwendig, dass wir alle zusammenhalten. Ja, es ist einfach unerlässlich, dass es nur eine Tendenz, eine Richtung gibt. Jeder gliedere sich ein in dieses Leben des Großmutes und des Gehorsams, und zwar mit ganzem Herzen, ungeteilt und vollkommen, mit allen Konsequenzen an Opfern, die möglich sind. Worte sind schon etwas, Taten jedoch sind von einer größeren Beredsamkeit. Ich werde euch einige Tatsachen zitieren, und diese Tatsachen wähle ich aus der Ordnung der Ideen, wie sie die Pflichten unserer Satzungen aufzwingen. Die Tatsachen hole ich aus unseren Missionen. Dort kann man sagen, dass die Aktion Gottes sichtbarer und fühlbarer ist: Darum nehme ich meine Beispiel dort. Eins unserer wesentlichen Kennzeichen übrigens ist, Missionar zu sein. Gewiss haben wir die Missionen nicht, wie die Väter vom Hl. Geist, als unsere Spezialaufgabe, und doch gehören wir zur Familie der Missionare und hängen von der Propaganda-Kongregation ab. Dieser Kongregation verdanken wir unsere Existenz, schulden ihr demgemäß auch unsere Ergebenheit. Durch sie empfangen wir die Anregungen der hl. Kirche und tun ihr gegenüber unsere Pflicht. So hört mir gut zu: Es ist unmöglich, dass wir in Zukunft andere in die Missionen schicken können als Heilige. Das wiederholen mir P. Simon und P. David unaufhörlich. Das ist auch leicht zu verstehen. Stellt euch den ersten Missionar, den hl. Paulus, vor auf seiner Missionsreise. Einer seiner Begleiter sagt ihm: Dein Engel hat dir befohlen, nach Ephesus zu gehen… Und Paulus schreibt dies auch an die übrigen Gläubigen. Wären sie keine Heiligen, so würden sie doch sagen: Welch ein Witz! Welch ein Engel hat ihm denn gesagt, uns nach Ephesus zu führen! Unsere Missionare, die wir aussenden, sind aber Nachfolger des hl. Paulus. Ihr Werk ist das dieser Heiligen. Gewiss sind sie keine Heiligen Paulusse. Darum müssen wir sie umso mehr umgeben mit unserer Ehrfurcht und unserer Hochachtung. Wir dürfen deshalb nur Menschen von diesem Schlag in die Mission schicken.

Ich betrachte wie die hl. Kirche die Arbeit der Missionare als ein ausgezeichnetes, ausschließlich übernatürliches Werk. Alles, was sich an menschlichem einschleicht, alle Überlegungen minderer Ordnung richteten sich gegen dieses Werk, und wenn sie vorherrschen, zerstören sie es ganz radikal. So zögere ich nicht zu sagen: Wer auch immer unserer Patres hier bemerkt, dass die Missionare, die wir aussenden, nicht von diesem Geist und dieser Gesinnung durchtränkt sind, ist er streng verpflichtet, den Oberen in Kenntnis zu setzen. Er möge energisch handeln. Die schlechte Erbauung, die aus allzu großer Duldsamkeit resultiert, die wir solchen Ordensleuten entgegenbrächten, stünde in direktem Gegensatz zu unserer Überzeugung. Wir dürfen nur aus übernatürlichen Motiven handeln. Nicht durch Ansehen noch durch Einfluss, noch mit Gold oder Silber, auch nicht mit Hilfe von Gendarmen schaffen wir etwas. Ich empfehle daher jedem unserer Patres dringend, auf diese Dinge zu achten. Ich habe ernste Gründe, darauf zu bestehen.

Am Kap erwirbt sich P. Simon nach Meinung aller zuständigen Leute die größten Verdienste. Am Werk erkennt man den Meister. Die Mission am Kap hat den Segen Gottes. Zur Stunde gibt es in Pella nur noch einen Protestanten oder Heiden, und dabei ist das ein Land von Hirten und Bauern, die als Ackerland ganz Afrika zur Verfügung haben und als Wohnung ihr Zelt, und die ständig von einem Ort zum anderen ziehen. Die Behausungen, die sie aufschlagen, verdienen kaum den Namen einer menschlichen Unterkunft. Diese katholisch gewordenen Leute lieben unsere Patres. Ihre Frauen und Töchter stellen sich unter die Leitung der Schwestern. Einige von ihnen bereitet man aufs Ordensleben vor, einige andere sind verheiratet und leben im Geist der Guten Mutter. Die Briefe, die mir P. Simon schreibt, tragen das Gepräge eines echten Gotteskindes. So müssen auch die Apostel geschrieben haben. Unsere Patres haben soeben eine weitere Niederlassung in Springbock gegründet, in einer Stadt, von der man zunächst meinte, da sei überhaupt nichts zu machen. Man hatte das P. Fromentin weisgemacht. Er schreibt: „Sie (P. Brisson) haben mich dorthin geschickt, um mich dazu verurteilen, von morgens bis abends zu rauchen.“ Woher kam es, dass nichts Religiöses dort Eingang fand. Ich riet dem P. Simon, darum beten zu lassen. „Gehen Sie nach Springbock“, fügte ich hinzu, „und lassen Sie dort Exerzitien machen. Sagen Sie dem P. Fromentin, eine Schule aufzumachen…“ Man gehorchte. Aber für wen eine Schule aufmachen? P. Fromentin gründet eine für die Neger, die Schwestern eine für die weißen Kinder. Doch wie soll P. Fromentin Schule halten? Er weiß kein Wort Englisch. P. Simon gibt ihm einige Lektionen, stellt ihm ein kleines Vokabular zusammen und lehrt ihn die Aussprache. Am ersten Tag des Unterrichts kamen 6 Schüler, am zweiten 8, heute sind es 36. Und diese ganze kleine Welt studiert und betet. Man fragt sie: „Was tut ihr bloß, um den Pater zu verstehen? Er kann ja nicht mit euch sprechen, er kennt eure Sprache nicht.“ „Er spricht sehr gut“, entgegnen sie, „er versteht alles, was wir sagen…“ Neben dieser Schule für Neger gedeiht und vergrößert sich die Schule der Weißen. Das sind also zwei Gründungen, in denen der liebe Gott spürbar ist. Einer oder zwei haben mir schon geschrieben und haben mich gebeten, die Gute Mutter anzurufen für sie.

Auch in Brasilien ist Gottes Hauch spürbar. Unsere Patres waren dahingegangen, um das Seminar von Para zu leiten. Es gab drei oder vier Schüler, von denen ein sehr guter starb. Die drei anderen waren merkwürdige Subjekte. Einer von ihnen, ein Diakon, hat das Seminar verlassen, um zu heiraten. Es ist unmöglich, mit diesem Werk zu Rande zu kommen in diesem unglücklichen Land, in einer Diözese, die fast so ausgedehnt ist wie Europa. Als er sah, dass nichts zu machen war, kehrte P. Seguin krank zurück. Bischof de Macedoine bat mich, die Patres David und Lardin in die Mission von Parantins zu schicken, 200 Meilen von Para entfernt. Dort gibt es eine Pfarrei, deren Jurisdiktion sich auf der einen Seite auf mehr als 500 Meilen erstreckt, auf der anderen Seite kennt man ihre Ausdehnung gar nicht. Unsere Patres halten dort eine oder zwei Volksmissionen ab, und es geschehen dort schöne und ganz übernatürliche Dinge. Nachdem sie sich mit der Pfarrei abgeben haben, gehen unsere Patres jetzt in die Vororte hinaus. Dort begegnen sie Indianern, die einstmals von Patres sprechen hörten. Die erste Person, die ihnen entgegenkommt, ist eine Negerin. „Pater“, sagte sie zu ihnen, „niemand hatte mir gesagt, dass Sie kommen würden. Doch mein Gewissen verriet mir im Traum, dass es nicht in Ordnung sei, dass ich ins Dorf gehen sollte, und ich dort einen Pater treffen werde, der mir meine Sünden nachlässt.“ Sie hatte nie im Leben einen Pater gesehen. Die halten dort eine sehr fruchtbare Volksmission ab, spenden 200 oder 300 Taufen und ich weiß nicht, wie viel Eheschließungen und Beichten. Nach einer äußerst tröstlichen und fruchtbaren Reise kommen sie nach Parantins zurück und finden dort einen Brief vor, der ihnen befiehlt, alles zu verlassen und nach Rio-Bamba in der Republik Ecuador zu gehen. Warum dieser Gegenbefehl?

In der Propagandakongregation zu Rom hatte mir der Sekretär, ja der Präfekt selber gesagt: „Ihr seid in Brasilien, seid ihr zufrieden dort? Was tun eure Patres? Sie sind Pfarrer…“ Darüber gab man uns den Rat, dort nicht zu bleiben. In diesem unglücklichen Land sind die Regierenden, die von Freimauern beherrscht sind, dagegen, dass man den wilden Indianern das Evangelium predigt. Sie wollen keine neuen Bistümer gründen lassen, wollen keine religiösen Kongregationen und Missionare ins Land lassen. Der Hl. Stuhl will aber die brasilianische Regierung dazu bringen, Missionare einzulassen. In Rom sagte man mir: „Schreiben Sie nach Para, dass ihr an diesem Tage fortgehen werdet, wo eine apostolische Präfektur errichtet wird.“ Ohne das können wir euch in der Mission nicht helfen. Und das haben wir sofort getan. Nach Empfang meines Briefes schrieb mir P. David: „Ich habe Ihren Brief erhalten als den Ausdruck des Willens Gottes und würde auf der Stelle abreisen nach Ecuador, wenn ich keine Verpflichtungen gegen die Leute des Landes eingegangen wäre. Zurzeit finden die großen Feste statt, zu denen große Mengen Volkes zusammenströmen. Man hat mir bereits Honorare dafür gegeben. Diese Festlichkeiten dauern noch bis Ende Juli. Die Leute sind überdies sehr leicht reizbar Es käme wahrscheinlich zu Tätlichkeiten, wenn sie erführen, dass wir sie noch vor den Festlichkeiten und den Prozessionen, die dabei stattfinden, verlassen wollen. Diese Feste spielen aber in diesem Land eine wesentliche Rolle. Sofort nach Beendigung der Feste reisen wir ab. Wir werden unsere zwei Kühe verkaufen, unsere zwei Bediensteten anderswo unterbringen. Unsere dreißig Hühner werden wir verzehren, jeden Tag eins. Herr Pater“, schließt sein Schreiben, „Sie schicken uns in ein Land, das wir nicht kennen. Alles, was wir in Erfahrung bringen konnten, ist, dass es dort vor einigen Jahren ein Erdbeben gab, das vierzigtausend Menschen verschlungen hat. Dennoch gehen wir mit Freude dorthin, weil es der Wille Gottes ist. Gestern Abend“, schreibt er weiter, „am Fest des hl. Dominikus, aßen wir unser dreißigstes Huhn, worauf wir uns in Marsch setzten.“

Das sind Briefe, die den Stempel eines tiefen und scharf akzentuierten religiösen Geistes tragen. So möge auch jeder von uns, ich wiederhole es, vom gleichen Geist geprägt sein. Denn die Nah- wie die Fernwohnenden leben vom selben Leben. Mögen sie darum dasselbe Herz, dieselbe Seele in sich tragen und der Geist der uns alle beseelt, sei der der Guten Mutter, ein Geist der Einfachheit und vertrauensvollen Herzlichkeit. Wir müssen aus uns selbst heraustreten. Solange da etwas von uns zu finden ist, zieht sich Gott zurück. Das betrübt ihn und er geht fort. Wir gehen jetzt auch wieder fort, jeder in sein Kolleg, in sein Amt. Seien wir in den Händen Gottes wie Maschinen, wie Nichtse. Gott wird, wenn nötig, Wunder wirken, wenn wir in diesem Geist der Abhängigkeit eingehen. Und alle in der Kongregation lassen sich vom selben Geist bestimmen und werden so Ausgezeichnetes wirken. Stellen wir uns auf diesen übernatürlichen Standpunkt. Wohin kämen wir denn, wenn wir unserem eigenen Urteil, dem Geschmack der Menschen und der menschlichen Klugheit folgen würden? Was kann man denn damit schon ausrichten? Stützen wir uns auf den lieben Gott, vertrauen wir unserer hl. Regel, und unseren Vorgesetzten.

Heute begehen wir das Fest des hl. Josef Kalasanza. Das war ein Heiliger, der die Kinder um sich zu scharen suchte. Er hatte Erfolg in seinem Land. Er geht nach Rom, wo man seinem Werk zustimmt. Er erhält vom Papst eine Bulle! Doch dann scheint sich Gott von ihm zurückzuziehen und alles gegen ihn aufzubringen. Seine Feinde triumphieren. Der Papst glaubt, es sei klug, die Wirkung seiner Bulle aufheben und seine Werke in Italien schließen zu müssen. Vor allem in Rom sagt man ihm: „Ziehen Sie sich zurück!“ Der Heilige setzt sein Werk anderswo fort. Man vergleicht ihn mit dem Dulder Hiob. Da kehrt das Licht zu ihm zurück. Er darf wieder nach Italien zurück. Sein Werk breitet sich auf eine wunderbare Weise aus. Seine Schulen werden dort gegründet, bestehen und gedeihen.

Tun wir es diesem Heiligen gleich. Seien wir gütig, demütig, gottergeben, mutig, stark und energisch gegenüber Schwierigkeiten, doch immer in Sanftmut und Einfachheit. Erneuern wir unsere Gelübde in diesem Geist, und möge die Gnade dieser inneren Erneuerung in uns keine Lücken zulassen, sondern uns ganz erfüllen. Erweisen wir uns vor allem treu in der Beobachtung des Gelübdes des Gehorsams, wie ich es euch erklärt habe, wie es unser hl. Stifter gewollt hat und wie es die Gute Mutter ohne Unterlass praktiziert hat.