1. Vortrag: Einkehrtage auf dem Tabor.
Petrus, Jakobus und Johannes, die Exerzitanten.
„Jesus nahm sich Petrus, Jakobus, und Johannes und führte sie auf einen hohen Berg“ (Mt 17). Das ist unser Fall, das sind unsere Exerzitien. Jesus nimmt uns abseits von der Welt. Er nimmt uns alle: zunächst Petrus, der anführt, der leitet, der die Seelen nährt. Jakobus, der unterrichtet, der die Dinge des Himmels und der Erde lehrt. Es ist sehr angebracht, wenn wir Jakobus als Meister und Vorbild in Fragen der Unterweisung betrachten. Er hat in seinen Briefen so trefflich und klar, so kraftvoll und vollkommen gelehrt, was den Inhalt und den Kern, also das praktische christliche Leben betrifft. Bezüglich der Form hat er ganz einfach und zugleich anziehend und voll anmutiger Vergleiche geschrieben. Deshalb hatte Luther nichts Eiligeres zu tun, als seine Feder zu nehmen und die Briefe des hl. Jakobus‘ zu streichen. Er lehrte zu gut. Jesus nimmt schließlich noch Johannes mit, so jung und fast noch ein Kind. Dieser lehrt jetzt im Schweigen die Geheimnisse der göttlichen Liebe kennen und wird sich erst spät zu Worte melden, nachdem er lange zugehört und studiert hat. Er ist Sinnbild für die Novizen, die in Jesus Christus ganz gesammelt sein sollen, damit sie hören, was er zu ihren Herzen spricht, um dann die anderen zu belehren.
Der Berg: das ist der Ort der Einkehrtage. – Jesus führt Petrus, Jakobus und Johannes auf den Berg, den hohen Berg, fern vom Lärm der Welt. Man betet besser auf hohen Bergen. Ich hielt meine Exerzitien in der Großen Kartause ab und krönte die Tage mit einer Besteigung des Grand-Som. Die Karavane war zahlreich und aus verschiedensten Teilnehmern zusammengesetzt, darunter 4 jungen Amerikanern, sicher Protestanten. Je höher wir stiegen, umso mehr verstummten die Geräusche der Ebene, und das Schweigen der hohen Berge beeindruckte stark unser Gemüt. Schwach erklang aus der Ferne noch ein Ton: es war die große Glocke des Klosters, die den „Engel des Herrn“ läutete. Kaum dass man es hörte. Alle knieten nieder und antworteten dem Vorbeter. Auf dem hohen Berg der Exerzitien betet man leichter. „Lasst uns hier drei Hütten bauen!“ meinte der hl. Petrus. Dies Wort heißt es nun verwirklichen und zunächst für Moses und Elias je eine Hütte bauen.
Moses: Die Tagesordnung der Einkehrtage.
Moses bedeutet das „Gesetz“, die Tagesordnung. Halten wir sie treu! Das ist Kern und Stern der Exerzitien. Wird die Tagesordnung beobachtet, so werden diese Tage Frucht bringen. Ihr erlebt Trockenheiten und Ängste, werdet jeder Erleuchtung und jeden Trostes beraubt, ihr langweilt euch und möchtet davonlaufen. Ihr geht wie eine Maschine von einer Übung zur anderen: umso besser. ja tausendmal besser! Wenn ihr genau die Tagesordnung der Exerzitien beobachtet, werden diese ausgezeichnet ausfallen. Ich glaube mehr an das Tun Gottes in der Seele während der Einkehrtage als an das Tun der Seele in Gott. Die Tagesordnung trägt ihre Gnade mit sich, weil sie Ausdruck des göttlichen Willens ist. Wenn man sich gut an diese Ordnung hält, so wird man alles, was man während dieser Tage nicht empfing, in der Folge erhalten, und zwar in reicherem Maße. Heilige Seelen, die zur gewöhnlichen Zeit häufiger Mitteilungen Gottes gewürdigt wurden, waren während der Exerzitien all dessen beraubt. Ich könnte euch dafür zahlreiche Beispiele von heiligmäßigen Priestern, Ordensmännern- und frauen nennen.
Schwester Maria-Genofeva und Frl. Theriot. – Schw. Genofeva erhielt jeden Augenblick übernatürliche Mitteilungen, an die ich felsenfest glaubte; denn ich hatte den Beweis vor Augen. Während der Exerzitien betete sie, schälte ihre Mohrrüben, betete ihre Paternoster und unterwarf sich streng, aber ohne Geschmack, der Tagesordnung. Aus war es mit den Mitteilungen Gottes während der Exerzitien! Eine andere hl. Seele, sehr originell und wohltätig gegenüber dem Kloster von Troyes, Frl. Theriot aus Auxerre, die sicherlich zu ungewöhnlicher Zeit große Gnaden empfing, sagte in ihrer originellen Sprechweise: „Während der Einkehrtage mache ich es wie unsere Hühner: ich kratze und scharre unablässig, bis ich auch nur ein kleines Korn oder ein Würmchen gefunden habe…“
Elias: die Erleuchtungen der Exerzitien. – Andere hingegen treten während dieser hl. Tage in das Zelt des Elias ein. Mit dem Propheten Elias spricht Gott, er schaut Gott, verbringt sein Leben mit ihm zusammen, verlässt diese Erde, auf einem feurigen Wagen empor gerissen. Das sind die Seelen, mit denen Gott während dieser Einkehrtage spricht, denen er sich offenbart, die er tröstet. Man muss ihm gut zuhören, wenn er spricht und davon sehr profitieren. Elias vernimmt auf dem Berg Horeb die Stimme des Herrn: es ist ein sanftes Lüftchen, ein Wehen, das vorüberzieht. Die schönen Gedanken, die Gott uns da sagt, heißt es gut aufzuschreiben, damit man sie später, in den Tagen der Angst, des Sturmes und der Trockenheit wiederfindet.
Jesus: zu ihm beten. – Vor allem seid Jesus im Gebete verbunden! Der erste Tag der hl. Exerzitien ist zur Befriedung und Beruhigung bestimmt: Franz v. Sales sagt, da müssten wir unsere Seele „beruhigen“. Halten wir das fest für uns selbst wie für die Seelenführung. Halten wir uns still auf dem Berg.