Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 28.12.1887: Das Gebet zu den Mysterien.

Ich möchte noch einmal auf die Betrachtung zurückkommen. Außer der Vorbereitung auf den Tag, von der wir sprachen, haben wir festgestellt, dass wir bei gewissen Gelegenheiten eine Betrachtung der Beschauung, der Liebe oder der Anbetung machen können über ein Glaubensgeheimnis oder ein Fest. Wir können somit unsere Betrachtung auf jede Weise vornehmen, die uns in Verbindung mit dem Hl. Geist oder dem Heiland setzt. Können über jede Wahrheit und jedes Ereignis betrachten, das uns dazu bewegen kann, Gott mehr zu bewundern und ihn mehr zu lieben, ihm treuer zu sein und unsere Pflichten gewissenhafter zu erfüllen.

Es ist eine gute Methode und kann angewandt werden bei Gelegenheit gewisser Feste und Jubiläen. Das geht im Letzten auf die Definition hinaus, die wir dem inneren Gebet gegeben haben: Ein Dialog mit Gott über unsere Angelegenheiten. Die Methode ist hierfür die gleiche wie für die Vorbereitung auf den Tag: Man versetzt sich in die Gegenwart Gottes und ruft ihn an. Dann beginnen wir unsere Unterhaltung mit Gott oder die Betrachtung eines Glaubensgeheimnisses. Diese Zwiegespräche können naturgemäß nicht beschrieben werden, weil sie keine positiven Regeln aufweisen können. Der Geist Gottes allein regelt und lenkt hier alles. Empfinden wir dabei gar nichts, kein Gefühl, dann halten wir uns einfach bei Gott auf in voller Ruhe wie erbarmungswürdige Geschöpfe, die zu nichts fähig sind. Solch eine Übung bringt uns bisweilen mehr ein als machten wir zu unserer eigenen Zufriedenheit und mit großem Eifer eine schöne Betrachtung. Weisen wir wenigstens immer einen starken, guten Willen vor, treu zu sein, dann verfügen wir über alles, was wir wünschen können, an Voraussetzungen für eine gute Betrachtung und können Gott alles geben, was seine Gerechtigkeit verlangt.

Die Betrachtung sollte uns nicht schwer fallen. Entweder haben wir Gott etwas anzubieten, oder wir haben nichts. Haben wir etwas vorzuweisen, ist es gut und wir danken Gott dafür. Haben wir Gott nichts anzubieten, dann beten wir in aller Demut sein unendliches Sein an, indem wir uns selbst vor ihm vernichten. Eine halbe Stunde solch einer Verdemütigung bringt uns großen Nutzen ein. Haben wir aber nicht einmal das zu unserer Verfügung, suchen wir wenigstens unsere Gedanken immer wieder zu Gott zurückzuführen. Machen wir das zu einer Übung geistlicher Gymnastik! Die so verbrachten Augenblicke haben ihr Verdienst. Denn niemals erwirbt uns ein äußeres Tun Gnade, sondern die innere Disposition, in der wir uns befinden.

Bei den Sakramenten ist es anders, denn da wirkt das getane Opus, die vorgeschriebene Sache an sich. Bei den anderen Dingen des geistlichen Lebens hängt das ganze Resultat von der inneren Verfassung und dem guten Willen ab. Unser ganzes Leben muss auf diese Weise aufgefasst und verbracht werden. Die von Gott erteilten Gnaden entsprechen nicht der getan Sache, sondern den Dispositionen der Seele, die handelt. Gebraucht diese Lehre auch bei der Seelenführung! Dann können die für jede Seele gebrauchten verschiedenen Mittel sie alle zu Gott führen. Man sollte nicht an einem bestimmten System hängen oder sich auf eine bestimmte Handlungsweise versteifen. Gott macht sich allen alles. Studieren wir in den Seelen, was Gott von ihnen will und führen wir sie dann nicht nach unseren eigenen Ideen, sondern nach den Wünschen Gottes.

Die Betrachtung ist jedenfalls das Fundament des inneren Lebens, und unseres ganzen Verhaltens. Wir sollten sie deshalb nicht nur des Morgens vornehmen, sondern den ganzen Tag lang, indem wir uns in der gewohnheitsmäßigen Verfassung halten, unsere Seelen mit Gott im Zwiegespräch zu erhalten. Unser hl. Stifter ist gerade deshalb zum Kirchenlehrer ernannt worden, weil seine Lehre, so einfach und allen Menschen erreichbar, die Seelen prompt dahin führt, alles mit Gott zusammen zu tun und beständig in der Gegenwart Gottes zu verharren.

„Der Oblate, der im Guten zunehmen und auf dem Weg des Herrn vorankommen will, muss zu Beginn all seiner Handlungen… um die Gnade Gottes bitten…“ In jedem Augenblick und bei jeder Handlung sollen wir diese „Gute Meinung“ erneuern. Ohne Zweifel bedeutet das eine Unterwerfung des Geistes, doch in Kürze bildet sich eine Gewohnheit heraus und ermöglicht uns, alles leicht und verdienstvoll zu verrichten. Eine Handlung, die auf Grund einer Gewohnheit getan wird, ist verdienstlicher als eine spontane und überlegte Handlung. Sie nimmt nämlich an der Natur des Gelübdes teil, das ja eine Sondergnade jedem Tun zufügt, das auf Grund eines Gelübdes erfolgt. Die Übung der Armut ohne Gelübde erwirbt weniger Verdienste als der gleiche Akt, der aus einem Gelübde erfließt. Die Gewohnheit mindert somit nicht die Verdienstlichkeit einer Handlung, sondern vermehrt sie noch. Die Gewohnheit weist eine gewisse Ähnlichkeit mit der heiligmachenden Gnade auf, die uns Gott angenehm macht, uns und alles, was wir tun. Seht nur, wie sich in dieser Lehre alles zusammenfügt.

Ich empfehle euch die Gute Meinung, die rechte Absicht besonders während der Ferien. Im gewöhnlichen Tagesablauf fällt es uns nämlich leichter, die Gute Meinung gewohnheitsmäßig zu erwecken. Wird man aber durch dies oder das abgelenkt, was vor allem während der Ferien geschieht, vergisst man sie oft.

Es wird gut sein, die Übung der Vorbereitung auf den Tag über diesen speziellen Punkt der Guten Meinung zu machen. Wurde sie doch von sämtlichen Heiligen praktiziert. Der hl. Vinzenz v. Paul, der hl. Alfons v. Ligouri haben sich durch sie geheiligt, sie bildete die Grundlage ihres Lebens und versetzte sie in ununterbrochene Vereinigung mit Gott. Sie maßen ihr deshalb große Bedeutung bei, was wir ebenfalls tun wollen. Sind wir doch umso mehr dazu verpflichtet, als Rom durch die Billigung unserer hl. Regel sich im gleichen Sinn geäußert hat.

GOTT SEI GEBENEDEIT!