1. Vortrag: Seinen Posten leidenschaftlich gut ausfüllen.
Der Ordensmann muss mit seiner Selbstheiligung beginnen. Eins der wirksamsten Mittel aber, sich selbst zu heiligen, ist der Eifer, sein Amt gut auszuüben. Der hl. Franz v. Sales sagt irgendwo: „Man soll sein Amt leidenschaftlich versehen.“ Wer in dieser Gesinnung arbeitet, ist sicher, den Willen Gottes auszuführen, die wirksamsten Mittel in der Hand zu haben gegen die Versuchungen, gegen die Mutlosigkeit, gegen die tausend Schwierigkeiten, denen man auf seinem Weg begegnet. Wenn man leidenschaftlich gut seinen Posten ausfüllt, was es auch immer sei, dann arbeitet man am Werke Gottes mit. Unser Herr hat gesagt: „Mein Vater arbeitet unablässig und ich arbeite mit ihm.“ Was aber Gott tut, ist vollkommen gut, leidenschaftlich gut getan, da Gottes Wille wirkmächtig ist und allezeit an sein Ziel gelangt.
Gewiss haben wir viele Mittel zu unserer Verfügung, heilig zu werden: Unsere Gelübde, das Gebet, das Direktorium. Ich glaube aber, zu diesen Mitteln müssen wir das hinzufügen, was ich da nenne. Vielleicht ist es in der Praxis am leichtesten auszuführen. Was immer ihr tut, wenn ihr euch müht, gut zu verrichten, was ihr zu tun habt, werdet ihr sicher ein Resultat erlangen, das euch machen kann. In eurem Inneren werdet ihr ruhig, weil ihr sicher seid, dass ihr da an eurem Platz steht und Gott mit euch zufrieden ist.
Dieser Eifer, den ich da meine, ist nicht allgemein verbreitet. Man gewöhnt sich daran, sein Amt so recht und schlecht auszuführen. Nach einiger Zeit wird das Amt zu einer Last, von dem man sich zu befreien sucht auf diese oder jene Weise. Nun ist aber gerade die Beständigkeit in seinem Amt Beweis eines starken, guten Willens, einer großen Gottesliebe. Der Eifer der Liebe, sagt die Hl. Schrift, ist hart wie die Hölle, nichts widersteht ihr. Wenn man sich eng an sein Amt hält, wenn man den ganzen Eifer der seiner Liebe aufwendet, am Werk Gottes so gut wie möglich mitzuwirken, wird man stark wie der Tod und hart wie die Unterwelt: Nichts kann widerstehen.
Das ist also ein wertvoller Stütz- und Anhaltspunkt, der äußerlich stärkste, angenehmste und sicherste. In anderen Kongregationen macht man sich Mut auf Grund der Erfolge, die man erzielen will, mittels der Studien, die man absolviert hat. Diese Beweggründe sind gut und löblich und sie hängen nicht immer wesentlich von den Werken ab, die wir verrichten. Bei uns dagegen heißt es in den Werken, die wir vollbringen, alle nötige Substanz finden, um unser Innenleben zu nähren. Und was uns diese Nahrung verschafft, ist gerade dieser Eifer, den wir entfalten in dem, was Gott von uns verlangt. Ich weiß sehr wohl, dass, wie ein Alter sagt, das Gewohnte schal wird. Aber schaut die Heiligen an: Wurde ein hl. Vinzenz von Paul, der die Gewohnheit hatte, eine lange Betrachtung zu machen, etwa müde, täglich lange zu betrachten? Empfand er mehr und mehr Abscheu davor? Nein, er schöpfte in diesem inneren Gebet ein immer neues Leben, fand darin Hilfsquellen, den er anderswo nicht begegnete. Oder schaut unseren hl. Stifter an: Wie er herausragt in diesem Eifer, das gut zu tun, was er getan hat, gut zu sprechen, gut zu unterrichten. Er war Bischof und arbeitete durch sein Wort. Franz v. Sales hat sein ganzes Leben diese Kunst des Wortes gepflegt, und weiter entwickelt. Er hat eine Akademie ins Leben gerufen, damit auch die anderen sprechen lernten wie er selbst. Er war Bischof und hatte eine Diözese zu leiten. Er rief seine Priester zu Synoden zusammen, um sie zu unterrichten. Er sandte ganz beachtliche Hirtenbriefe aus. Dazu hatte er ein Haus und führte ein Hauswesen. Alles war darin vollkommen geordnet und organisiert bis in die kleinsten Einzelheiten. Hier und überall fand er Gott bei seinem Werken. Mit Gott arbeitete er Hand in Hand. Wenn man aber mit Gott zusammenarbeitet, lässt sich das nicht mit kaltem Herzen und in gleichgültiger Weise tun. Darum war Franz v. Sales so voll heiligen Eifers und konnte sagen: Der Eifer für dein Haus verzehrt mich. Der Eifer für das, was ich mit Gott tue, verzehrt mich. Wenn ihr so schafft, vollzieht sich euer Tun nicht nur mit Gott zusammen, wie es das Direktorium will. Ihr schafft auch mit der größtmöglichen Liebe, damit euer Tun aus einem Herzen und Willen und Lieben kommt, die Gott gefallen und ihn für das einnehmen, was ihr tut.
Unser hl. Stifter hat die Heimsuchung gegründet. Man braucht nur in eins ihrer Klöster einzutreten um zu sehen, dass dort alles leidenschaftlich gut getan wird. Ordnung, Sparsamkeit, Armut, alles steht dort in höchster Blüte, weil die Schwestern besondere Sorgfalt aufbringen: Erfüllt euer Amt leidenschaftlich gut! Ich wünschte sehr, Gott würde in jedes eurer Herzen ein Echo dieses Gedankens legen. Diese Art zu schaffen sei ein unterscheidendes Kennzeichen der Oblaten. Ich sage nicht, wir hätten die Anmaßung, darin besser zu handeln, als alle anderen. Ich sage aber, wir sollten unser Bestes geben und Leidenschaft hineinlegen in alles, was wir tun müssen. Aus diesem Grund wenden wir die höchste Sorgfalt auf das Studium, die Arbeit und das Gebet.
Wir halten Unterricht. Wie sehr kann man sich doch in der Klasse heiligen. Die größten Heiligen waren Lehrer. Seht unter anderem den hl. Thomas von Aquin. In den letzten Jahren wurden mehrere heilige Lehrer kanonisiert. Wie hielten sie Unterricht ab? Leidenschaftlich gut. Der Lehrer, der mit Liebeseifer unterrichtet, ist sicher, Erfolg zu erzielen, doch stellt dieser Erfolg den geringsten Lohn seiner Arbeit und seines Eifers dar. Denn naturnotwendig und in besonderer Weise wird er sich dabei persönlich heiligen. Hier befindet man sich in ganz intimer Zusammenarbeit mit dem Herrgott, mit dem Hl. Geist, der ja jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt. Ich wünschte sehr, der liebe Gott gäbe euch in diesen Einkehrtagen jenen Eifer, der bewirkt, dass man gern seine Pflichten erfüllt, nicht weil sie sich liebenswert sind. Wir lieben vielmehr den, der sie uns auferlegt und der unendlich liebenswürdig ist. Gott schenkt uns dann die Gabe, das vollkommen zu tun, was wir für ihn tun.
Ich sage oft dieselbe Wahrheit. Ich tue es, weil ich möchte, dass dies das ganz besondere Merkmal des Institutes sei: Die Einfachheit, ich möchte sagen, die Gutmütigkeit (Biederkeit, Einfalt), jene gerade und richtige Intelligenz, die uns schnurgerade auf das Ziel hinsteuert, das wir uns vornehmen. Die auch nicht darüber hinaus schieß, sondern die anvisierte Sache so komplett, so vollständig und richtig trifft, dass alle sagen: Wie schön das ist! Jedermann liebt es und billigt es.
Bei uns gebe es also nicht jene praktische Gleichgültigkeit, dass man von einer Sache zur anderen schlingert. Nichts festhält, sich an nichts bindet, und nichts in Bewegung bringt. Man gleicht jenen kleinen Balken, (Anm.: „soliveau“ heißt im Französischen: Leichter Deckenbalken, aber auch charakterloser Mensch, Blindgänger) irgendetwas anderem. Wo bleibt denn das leidenschaftlich Gute in solch einem schwebenden Balken? Der Beichtvater und Seelenführer gibt sich seinen Schülern und ihren Seelen hin. Er erfüllt leidenschaftlich gut seine Aufgabe. Ich versichere euch, man kann aus einem Schüler nichts herausholen, wenn man in seiner Sendung nicht den Wunsch beibringt, nach Gottes Willen ganze Arbeit zu leisten. Man muss sich um seine Schüler kümmern. Man muss sich mit ihnen abgeben, lebhaft um ihr Wohl und ihre Vervollkommnung wünschen. „Aber, Herr Pater, das ist doch nicht möglich, was Sie verlangen. Da würde man nicht fertig, wollte man sich um jeden einzeln noch besonders kümmern.“ Ich aber kann euch versichern, wenn man im Herzen den echten Wunsch hegt, so zu handeln, ersetzt Gott die Schwäche unserer Kraft. Wenn er einen Beichtvater und Seelenführer findet, der sich vornimmt, ein Höchstmaß an Gutem zu vollbringen, arbeitet Gott an seiner Aufgabe mit, und das Ziel wird erreicht. Bedenkt doch, wie dieser Gedanke uns wach hält, mag das uns übertragene Amt beschaffen sein wie immer.
Ihr seid Aufseher (im Studiersaal, oder Schlafsaal, etc.). Es ist etwas so Trockenes und Bitteres, Aufpasser zu spielen. Euer Amt ruft euch aber dazu, der Gehorsam will es und ihr habt alle Mittel in der Hand, eure Aufsicht gut zu verrichten. Auch in euren Beziehungen zur Welt seid darauf bedacht, alles gut und vollständig zu machen, korrekt und eurem Stand entsprechend. Dann tut ihr viel Gutes den Seelen, mit denen ihr in engeren oder entfernteren Beziehungen steht.
Auch in anderen Situationen sollte es so sein. In unseren Handarbeiten sollte uns immer das Verlangen leiten, für Gott gut zu machen, was wir ohnehin machen. Für ihn und mit ihm zusammen sollten wir schaffen. Führt euer Amt und eure Arbeit mit jener Liebe zu Gott und zur Sache aus, die sie zur Sache Gottes und des Gehorsams machen.
Würden die Exerzitien, meine Freunde, in jedem von uns diese Wirkung hervorbringen, welche Erneuerung und welch frisches Leben würden sie bringen! Wie tröstlich und ermutigend wäre dieser Anblick, welch einen Zustand der Vollkommenheit, den Wünschen der Kirche so gemäß, würde das bewirken! Das gerade wünscht aber Gott und der Nächste von uns!
Ich wiederhole mich: Dies sei unser Unterscheidungsmerkmal, was wir immer tun mögen. Eine gut verrichtete Arbeit, mit natürlicher Liebe beseelt, mit diesem Geschmack und Anreiz für Gott behaftet, um den ich euch da bitte, wirkt fesselnd und anregend. Man vermeidet alle Nachlässigkeiten bis in die kleinsten Einzelheiten und schafft mehr und mehr Vollkommenes. Eine mit Liebe vollbrachte Arbeit wird immer gut gemacht. Eine Gemeinschaft, die so arbeitet, eine Vereinigung von Seelen, die so schaffen, wäre auf dieser Welt zweifelsohne etwas Vollendetes, ein Ideal. Um dahin zu gelangen, brauchen wir große, weil es beweist, dass wir vollkommene Ordensleute sind. Ein Heiliger ist ein Held. Er hat die moralischen und bürgerlichen Tugenden in heroischem Maße geübt. Wir werden nur dann wirklich heilig, wenn wir all unser Tun mit dieser Vollkommenheit verrichten, denn sie ist ja Heroismus. Ihr seid Schreiner, Maurer, Wissenschaftler, Forscher, Schriftsteller, ihr arbeitet für das Seelenheil der anderen, gleichgültig auf welchem Arbeitsfeld ihr euch müht: Arbeitet in dieser Seelenverfassung, und ihr werdet vollkommen sein.
Erbittet alle von Gott diese Gnade, die so hell an Franz v. Sales und an Johanna Franziska von Chantal strahlte, nämlich alles gut zu verrichten, wie es sich gehört, gepflegt in eurer Sprache und eurem Verkehr mit der Welt, in eurem Einsatz für die Interessen des Hauses, mit einem Wort: Tut alles, was ihr in die Hand nehmt, leidenschaftlich gut. Wollet ihr nicht Maschinen gleichen, deren Räder nur kreischend funktionieren, die statt zu laufen stehen bleiben, weil sie schlecht eingefettet, schlecht ausbalanciert und schlecht gezahnt sind. Sie sind gestört in ihrem Bewegungsrhythmus. Empfangt für jedes Werk den Impuls von Gott und handelt dann entsprechend dieser empfangenen Bewegung. Gewiss brauchen wir ein „Serum Corda“ im Herzen. Doch das Herz allein tut es nicht. Wir müssen alles zu Gott erheben, die Arme, die Hände und den Verstand. Von allen Seiten heißt es sich zu Gott emporschwingen. Mit Gott darf man nicht rechnen und messen. Mathematik hat hier nichts zu suchen. Nicht zählen und nummerieren und nicht sagen: „Bis hierher und nicht weiter!“ Unser hl. Stifter will nicht, dass man gegen Gott kalt bleibt. Er will, dass unser Herz zu Gott nicht nur mit Aktivität geht, sondern mit Liebe und Zuneigung.
Ich halte euch heute Abend lange auf und predige euch über einen reichlich trockenen Gegenstand. Hier kann man sich nicht leicht begeistern und vor solch einem Stück Eis Feuer fangen. Versteht aber wohl: Mit all diesem werden wir Oblaten und Kinder des hl. Franz von Sales werden! Welchen Erfolg zeitigt es denn, alles leidenschaftlich gut zu tun? Der Erfolg ist uns sicher, wie bereits gesagt. Aber es ist auch ein Erfolg, der bleibt. Ihr sät in der Liebe, und diese kühlt sich nie ab. Beobachtet den hl. Franz v. Sales in Chalabis. Es musste erst die Französische Revolution kommen, um den Glauben in diesem von ihm bekehrten Land auszulöschen. Es bedurfte erst der teuflischen Aktivität der Juden und Freimaurer, um das hl. Stifters zu zerstören, das er mit so viel Erfolg begründet und dem er sich mit ganzer Leidenschaft hingegeben hatte.
Wem oder was verdankt die Heimsuchung von Troyes, die im ganzen Orden in so hohem Ansehen steht, diesen Leumund? Ihrer vollkommenen Observanz, der Einheit der Herzen, der leidenschaftlichen Sorge der Guten Mutter, die hl. Regel beobachten zu lassen und ihre Töchter in den Geist des Instituts einzuführen. Sie tat es nicht nur mit Worten, sondern gab sich dieser Aufgabe mit solcher Liebe hin, verlangte es von ihren Schwestern mit so viel Fürsorge, dass sie aus diesem Haus in Wahrheit den Himmel auf Erden gemacht hat, und der Himmel auf Erden ist ja der Wille Gottes. Alles, was sie tat, wollte sie leidenschaftlich gut tun. Sie legte da alles Nötige hinein, ihren ganzen Eifer, ihre ganze Glut, damit die hl. Regel und der Gehorsam geliebt würden. Erbittet herzlich diese Gnade, liebe Freunde, und messt dem heute Abend gesagten eine ganz große Bedeutung bei. Es möge unser Band sein, unsere Stärke und unser Blickwinkel. Möge jeder heute Abend Gewissen und Seele erforschen, und möge jeder sich vornehmen, mit leidenschaftlicher Hingabe seine Amtspflichten zu erfüllen. Der hl. Bernard sagt, Gott habe unsere Stammeltern erschaffen und ins irdische Paradies gesetzt, damit sie es bearbeiten und kultivieren. Diesen Auftrag erfüllten die beiden so gut und das Paradies wurde von ihnen mit so viel Geschmack geziert, dass Gott jeden Tag im Garten Eden lustwandelte, „beim Lufthauch nach der Mittagszeit“. Zweifelsohne kam er wegen Adam und Eva. Aber er wollte auch die Frucht der Arbeit betrachten, die sie mit so viel Sorgfalt vollbracht hatten.
Machen wir es wie der erste Mensch in seiner Unschuld. Mühen wir uns mit aller Hingabe, damit Gott auch zu uns herabsteige und seine Freude daran finde, unsere Werke zu betrachten.
Man fragte einst Papst Leo X., welches seine köstlichste Erholung sei. Er antwortete: „Den Malern zusehen, die an meinem Palast werken, denn sie tun es mit Leidenschaft, mit einem immensen Verlangen, es sehr gut zu machen…“ Und das stimmte, denn er verbrachte manchmal eine sehr lange Zeit mit Zuschauen. Das gleiche tut der liebe Gott auch. Sollten wir ihn da nicht zu unseren Geschäften einladen, dass er immer in unserer Gesellschaft lebe? Dann müssen wir eben alles mit ganzer Leidenschaft tun. Dann kommt er auch in unseren Garten lustwandeln. In unsere Klasse und in unseren Studiersaal kommt er dann, wenn wir die Aufsicht gewissenhaft vornehmen. Er wird Freude daran finden, uns bei der Arbeit zuzusehen.
Daran wollen wir denken, liebe Freunde, wollen beten und unseren hl. Stifter und die Gute Mutter um Verständnis bitten. Dann verdienen wir die Besuche Gottes und werden umgeben und gestützt durch seine göttliche Gegenwart. Dann sind wir wahre Ordensleute in der ganzen Kraft dieses Namens.